E. Wolfrum: Krieg und Frieden in der Neuzeit

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Titel
Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom Westfälischen Frieden bis zum Zweiten Weltkrieg


Autor(en)
Wolfrum, Edgar
Reihe
Kontroversen um Geschichte
Erschienen
Darmstadt 2003: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Anzahl Seiten
156 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Kreis

Man müsste vor allem würdigen, was vorhanden ist, und nicht nur bemängeln, was fehlt. Demnach wäre zu würdigen, dass es dem vorliegenden Band gelingt, eine solide Einführung in die Problematik und praktische Heranführung an die entsprechende Literatur zu geben. Das erste Kapitel geht zwar etwas gar grundsätzlich der Frage nach, was Krieg, was Friede an sich sei, die weiteren Kapitel zeigen dann aber doch auch an Stationen der historischen Entwicklung die konkreten Fragen auf. Dabei wird den getroffenen Friedensordnungen mehr Beachtung geschenkt als der Durchsetzung und Aufrechterhaltung dieser Ordnungen und den Arten der Kriegführung mehr als den Bedingungen, unter denen Friedensbereitschaft aufkommt. Als Pionierstudie wird da Jörg Fischs Arbeit über Krieg und Frieden im Friedensvertrag von 1979 gewürdigt.

Besonders erhellend sind die Ausführungen zu den verschiedenen Interpretationen (eben Kontroversen) etwa des Westfälischen Friedens und des Wiener Kongresses oder des Kriegsausbruchs von 1914 (einem Klassiker der historischen Kontroversen) sowie der kontroversen Beurteilung der Kriegsbewältigung nach 1945. Wichtig sind die Auskünfte über die Genese des totalen Krieges». Auf Einbezug der neuesten Fragestellungen bedacht ist die Berücksichtigung des Genderaspekts (wobei die These der grösseren Aggressionsbereitschaft der Männer verneint wird) und der Hinweis auf die zwischen Ekkehart Krippendorf und Herfried Münkler ausgetragene Diskussion, ob der Staat eher Hort des Krieges oder Hüter des Friedens sei. Keine Kontroverse kann der Autor für die Frage anbieten, warum sich die deutsche Friedensbewegung vergleichsweise spät entfaltete. Die einfache Antwort laute: mangelndes Interesse – wobei auch dieses wiederum erklärt werden müsste.

Was fehlt, muss doch auch kurz angesprochen werden. So verständlich es ist, dass ein für Deutsche verfasstes deutsches Werk auf deutsche Geschichte (inklusive Österreich) ausgerichtet ist, die starke Beschränkung auf den europäischen Kontinent (sozusagen ohne England) und insbesondere die eklatante Vernachlässigung der wohl in einem anderen Kontroverse-Band behandelten Kolonialkriege (mit einem Hinweis auf den Genozid der Herero insgesamt nicht eine ganze Seite) ist dem Gegenstand und der heutigen Auseinandersetzung mit der Frage sowie der Subdisziplin der internationalen Beziehungen, dem sich die Darstellung zurechnet, nicht angemessen. So kann es zur Perpetuierung des schiefen Urteils kommen, dass das 19. Jahrhundert das friedlichste der gesamten europäischen Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit gewesen sei, oder zur Fehlannahme, dass die britische Seeblockade bloss eine Gegenmassnahme gegen die Napoleonische Kontinentalsperre von 1802 gewesen sei. In schwachen Ansätzen, etwa mit Hinweis auf Deutung der damaligen Revolutionskriege als ersten Weltkrieg», wird Stig Försters sehr berechtigtes Postulat referiert, die allzu eurozentrische Geschichtsbetrachtung zu überwinden und die Wechselwirkungen zwischen Europa und Aussereuropa zu beleuchten und somit ein Bewusstsein für grössere Zusammenhänge zu schaffen (S. 56). Doch eingelöst wird dieses Postulat überhaupt nicht. Den ersten Weltkrieg kann man zudem in den Spanischen Erbfolgekrieg zurückverlegen. Spätestens von da an sollte man Krieg und Frieden in Europa nicht mehr ohne Einbezug der Vorgänge im aussereuropäischen Raum analysieren.

Zitierweise:
Georg Kreis: Rezension zu: Edgar Wolfrum: Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom Westfälischen Frieden bis zum Zweiten Weltkrieg. Reihe: Kontroversen um Geschichte. Darmstadt, 2003. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 1, 2004, S. 115.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 1, 2004, S. 115.

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